Exponentielle Infektionszunahme

Corona bzw. die COVID-19-Viruskrankheit, die durch das Virus SARS-CoV-2 verursacht wird, ist erstmals 2019 in China aufgetreten und bestimmt aktuell das Leben nicht nur in Europa und Deutschland. Weltweit sind zum jetzigen Stand über 240.000 Menschen infiziert, hiervon sind in Deutschland am Freitag über 15.000 Personen bestätigt worden. Dies sind fast 5.000 mehr als zur Wochenmitte. Aktuelle Maßnahmen u.a. durch Bund und Länder zielen auf eine Verlangsamung des Ausbreitungsprozesses, so dass eine medizinische Versorgung möglich ist und hohe Sterberaten, wie aktuell in Italien, dem in Europa derzeit am stärksten betroffenen Land, vermieden werden. Ein Stopp der Krankheit ist nach derzeitigem Stand nicht mehr möglich.

Die Folgen für die deutsche Wirtschaft durch COVID-19 und vor allem durch die Maßnahmen zur Verzögerung sind immens. Waren zuerst vor allem Unternehmen betroffen, die von (langen) Lieferketten bzw. auf Waren aus dem asiatischen Raum angewiesen sind, haben staatliche Vorgaben, Vorsorgemaßnahmen und Ängste der Bevölkerung zum Erliegen des öffentlichen Lebens geführt. Von einer Angebotskrise führte Corona somit mittlerweile auch zu einer Nachfragekrise. Dies war vor zwei Wochen noch nahezu undenkbar.

Langfristige Folgen sind zum jetzigen Zeitpunkt schwer abzuschätzen, auch weil Annahmen zum weiteren Verlauf der Corona-Pandemie rein spekulativ sind. Ein Wirtschaftsabschwung in den kommenden Monaten ist unausweichlich. Anschließend stellt sich die Frage, ob die staatlichen Quarantänemaßnahmen fortgesetzt oder beendet werden. Hierfür entscheidend ist, ob medikamentöse Therapien entwickelt werden können, die eine Behandlung ohne Intensivmedizin ermöglichen. Im positiven Fall wird sich das gesellschaftliche Leben wieder schnell normalisieren und die Wirtschaft sich erholen. Fiskalpolitische Maßnahmen seitens Bund und Ländern werden hier einen wesentlichen Beitrag leisten. Im entgegengesetzten Fall ist eine tiefgehende Rezession zu erwarten, bei der der Nutzen bislang bekannter staatlicher Hilfen nicht beurteilt werden kann. Bislang wenig thematisiert wird die Gefahr, dass sich zukünftig Epidemien und Pandemien häufen. Was sich früher auf einzelne Regionen beschränkte, kann sich heute aufgrund der Globalisierung ungehindert weltweit ausbreiten. Nach Corona wird damit vor Corona sein. Hierauf müssen sich die Gesellschaft und deren Teilbereiche einstellen.

Aktuell am stärksten betroffene Wirtschaftsbranchen sind der Tourismus, das Hotel- und Gastronomiegewerbe, Messebetreiber, Theater, Kinos, Sportveranstalter, der Non-Food/stationäre Einzelhandel (alle genannten aufgrund von Schließungen, fehlender Besucher, Konsumenten, Gäste), Banken (aufgrund Rezessionsängste / Gefahr ausfallender Kredite), das Luftfahrtgewerbe sowie Unternehmen mit globalen Lieferketten (zuletzt genannte aufgrund von Reiseeinschränkungen und der Abhängigkeit von China). Allerdings haben die Ausweitungen der letzten Tage dafür gesorgt, dass mittlerweile nahezu alle Branchen einzubeziehen sind, da es zu immer mehr Unternehmensschließungen und Produktionsunterbrechungen kommt, um Mitarbeiter zu schützen und eine schnelle Verbreitung zu verhindern. Aktuelle Meldungen hierzu: Dax zwischenzeitlich unter 9.000 Punkten / VW, Opel und Audi setzen Produktion aus / Ikea schließt alle Märkte / Non-Food-Einzelhandel verliert 1,15 Mrd. Euro pro Tag. Die Zahl wirtschaftlicher Nutznießer ist hingegen gering. Hierzu zählen Hersteller von Schutzkleidung/Desinfektionsmitteln, Apotheken, die Pharmaindustrie, Lebensmittelhersteller und Lebensmittelhändler sowie Onlinedienstleister und der Onlinehandel. Insgesamt erhalten Leistungen, die im und über das Internet erbracht werden (können), einen erheblichen Schub. 

Immobilienwirtschaft: deutliche Folgen erkennbar, langfristige Entwicklung offen 

COVID-19 beeinflusst alle Bereiche des öffentlichen Lebens und somit auch den Immobiliensektor. Bis zur vergangenen Woche war dieser zwar noch nicht so stark betroffen wie die Gesamtwirtschaft (bspw. verloren Immobilienaktiengesellschaften weniger als der Dax), mittlerweile sind allerdings immer mehr Gebiete der Immobilienwirtschaft nach vorne gerückt, und eine weitere Verschärfung ist zu erwarten. Langfristige Folgen sind aber auch hier weitestgehend schwer abzuschätzen.

Erste Einflüsse machten sich bemerkbar in einer generell abwartenden und prüfenden Haltung. So werden angedachte Anmietungen und Ankäufe sowie konkrete Besichtigungstermine verschoben oder gänzlich abgesagt (teilweise mit Blick auf die ungewisse wirtschaftliche Entwicklung, teilweise aufgrund des Verbots eines Treffens und Reisebeschränkungen) und (potenzielle) Mieter mit Blick auf mögliche „Corona“-Einflüsse durch Eigentümer und Investoren stärker geprüft.

Für die verschiedenen Assetklassen sind aktuell unterschiedliche Entwicklungen feststellbar sowie kurz- sowie mittelfristig verschiedene Veränderungen denkbar:

Hotel: Der Hotelsektor ist aktuell am stärksten von der Corona-Krise betroffen, da hier Reisebeschränkungen durch Vorsorge- und Quarantänemaßnahmen direkten Einfluss üben. Infolgedessen werden hier die Umsatzeinbußen sehr schnell messbar und ohne staatliche Unterstützung zeitnah Insolvenzen zu erwarten sein. Neue temporäre Geschäftsmodelle – u.a. Umwidmung von Hotelzimmern zu flexiblen Büroarbeitsplätzen für Personen, die zu Hause keine entsprechenden Arbeitsmöglichkeiten haben – sind möglich. Im Falle eines kurzzeitigen Virusverlaufs ist eine Verbesserung der Situation in Sicht. Dabei könnten nationale Reisen und somit auf inländische Touristen fokussierte Unternehmen sich schneller erholen. Bei internationalen Reisenden ist eine längere Zurückhaltung, wenn nicht sogar ein genereller Rückgang der Tourismuszahlen möglich, was sich in den entsprechenden. 

Märkten niederschlagen wird. Die aktuelle Notwendigkeit, digitale Systeme anstatt persönliche Treffen zur Kommunikation zu nutzen, könnte bei positiven Erfahrungen auch nach COVID-19 an Bedeutung gewinnen und Geschäftsreisen reduzieren. Dies wiederum wird sich ebenfalls in rückläufigen Übernachtungszahlen und infolgedessen der Notwendigkeit sinkender Mieten bzw. Pachten widerspiegeln.

Einzelhandel und Gastronomie: während die Corona-Pandemie sich auf den stationären Non-Food-Einzelhandel sowie das Gaststättengewerbe aufgrund der sinkenden Nachfrage und Schließungen deutlich negativ auswirkt, zählen der Lebensmitteleinzelhandel sowie der Onlinehandel zu den Nutznießern. Für den Einzelhandel generell besteht momentan zudem noch das Problem der Abhängigkeit teilweise langer Lieferketten, die derzeit gestört sind. Unternehmen mit geringen Gewinnspannen werden hier sehr schnell vor Problemen stehen. Mieterleichterungen seitens Vermieter können hier helfen und werden auch bereits teilweise angeboten. Für die kommenden Monate ist für das Gastronomiegewerbe, das aktuell versucht, u.a. mit neuen Geschäftsansätzen (z.B. Lieferdienst, Take-away) versucht, Kunden zu halten, ein mit den Hotelunternehmen vergleichbares Szenario möglich. Im Einzelhandel stehen die Zeichen für eine weitere Verlagerung hin zum Onlinehandel, der sich nunmehr auch auf den Lebensmittelsektor auszuweiten scheint. Auch Menschen, die dieser Möglichkeit bislang skeptisch gegenüberstanden, werden eine Nutzung ausprobieren und – bei positivem Empfinden – dies auch zukünftig fortführen. Hierdurch erhält der Onlinehandel einen immensen zusätzlichen Schub, wodurch der stationäre Einzelhandel zukünftig noch höheren Druck verspüren wird. In der Folge werden das Anmietungsvolumen und die Miethöhen sinken.

Lager und Logistik: auf den Lager- und Logistikmarkt wirken infolge der Corona-Pandemie zwei unterschiedliche Entwicklungen. Von Problemen innerhalb langer Lieferketten und Produktionsausfällen ist der Lager- und Logistikmarkt negativ betroffen. Während Produktionsstätten mit einem Abflauen der Corona-Krise wieder öffnen werden, könnten global vernetzte Logistikstandorte auch langfristig an Bedeutung verlieren. Parallel besteht Potential für einen dauerhaften Anstieg des Flächenbedarfs in Form von Lager-, Verteil- und Versandzentren aufgrund der Ausweitung des Onlinehandels. Die steigende Nachfrage wird sich dabei sowohl auf hochmoderne Logistikimmobilien, aber auch auf einfache bzw. ältere Bestandsflächen für die Belieferung der letzten Meile beziehen. Zudem könnte ein Wandel hinsichtlich der Abhängigkeit von China und langen Lieferketten zum Aufbau von neuen Produktionsstätten sowie Lagerungsmöglichkeiten innerhalb Deutschlands und somit zu zusätzlichem Flächenbedarf führen.

Büro: im Bürosektor zeigt sich die Corona-Pandemie aktuell vor allem in einer erhöhten Nutzung von HomeOffice-Lösungen, ohne aber direkte Auswirkungen für den Büroimmobilienmarktsektor zu haben. Eine Ausnahme stellen Coworking-Anbieter dar, bei denen Anmietungen zeitnah zurückgehen sollten. In den kommenden Monaten werden sich aber auch Folgen im Gesamtmarkt zeigen. So ist – in Abhängigkeit der Krisenlänge – aufgrund der ungewissen weiteren wirtschaftlichen Entwicklung mit einer abwartenden Haltung zu rechnen. Neuanmietungen werden verschoben und stattdessen bestehende Mietverträge verlängert und Untermietverträge abgeschlossen. Daraus folgt zumindest kurzfristig eine sinkende Flächennachfrage, mit entsprechenden Konsequenzen für Mieten und Leerstände. Darüber hinaus waren die Chancen nie so groß wie heute, dass es infolge der aktuell erzwungenen HomeOffice-Verlagerung langfristig zu einer Ausweitung digitaler Onlinearbeitswelten kommt. Flexible Büroflächenlösungen werden hierdurch ebenso wie das HomeOffice an Bedeutung gewinnen. Hingegen werden klassische Büros hinsichtlich Größe, Zuschnitt, Flexibilität, Ausstattung und einer digitalen Arbeitsweise infrage gestellt, was sich auf den Märkten widerspiegeln wird.

Wohnen: im Wohnsektor bleibt auch in Krisenzeiten die generelle Nachfrage hoch, die in einer Vielzahl der deutschen Städte weiterhin nicht gedeckt werden kann. Problematisch könnten sinkende Einkommen u.a. durch Arbeitslosigkeit werden, wodurch geforderte Mietzahlungen nicht möglich bzw. nur zeitlich verzögert erfolgen. Um hier Abhilfe zu schaffen, wird u.a. von Verbänden sowohl mieter- als auch vermieterseitig aktuell eine staatliche Förderung zur Sicherstellung von Mietzahlungen vorgeschlagen. Hinzu kommen Zusagen von Wohnungsunternehmen, dass man in entsprechenden Fällen eine Lösung finden wird. So hat u.a. Vonovia Unterstützung für ihre Mieter zugesagt. Ein Abwarten der generellen sowie der jeweiligen eigenen wirtschaftlichen Situation wird zwar zu Verschiebungen von geplanten Neuanmietungen und Ankäufen führen. Ein Rückgang der Miet- und Preishöhen in den nachgefragten Wohnungsmärkten ist aber unwahrscheinlich. Letztlich ist dies aber von der Stärke, Breite und Dauer eines wirtschaftlichen Abschwungs abhängig.

Investmentmarkt: für die ersten Monate des Jahres 2020 ist auf dem deutschen Transaktionsmarkt noch kein Rückgang zu ermitteln. Ein Blick nach Asien lässt aber vermuten, dass es in den kommenden Monaten auch in Europa und Deutschland infolge einer abwartenden Haltung und Prozessverschiebungen zu einem massiven Einbruch kommt. Dies wird sich in den Marktzahlen ab Mitte des Jahres widerspiegeln. Die Länge und Stärke des Rückgangs steht dabei in Abhängigkeit zur weiteren Entwicklung der Corona-Krise und der Attraktivität alternativer Anlageformen. Rückgänge werden dann vor allem in den Assetklassen zu finden sein, die – wie zuvor beschrieben – am stärksten betroffen sind. Hier müssen zukünftig sowohl bei Transaktionen als auch bei Neubauprojekten die Mietpotentiale neu analysiert werden. Mit einem stetigen Wachstum ist dann nicht mehr zu rechnen. Kreditanforderungen in Abhängigkeit der Nutzungsart werden steigen. Parallel wird Risikoaversion die Investitionsschwerpunkte auf Coreprodukte rücken bzw. Risiken sind neu zu adjustieren. Zur Beurteilung von Immobilien werden Stresstests an Bedeutung gewinnen, bei denen von der Infrastruktur über die Gebäudeflexibilität bis zum Mieterbesatz die Zukunftsfähigkeit und Nachhaltigkeit zu prüfen sind. Hierdurch besteht auch die Chance größere und unerwartete Krisenzeiten unbeschadeter zu überstehen.